Was für ein Handballabend! Der TV Gelnhausen hat vor 815 Fans in der Hermann-Neuberger-Halle in einem Herzschlagfinale gegen den großen Staffelfavoriten HG Saarlouis sensationell mit 36:34 (14:15) gewonnen. Es war ein Spiel voller Leidenschaft und Dramatik in dem das junge Team aus der Barbarossastadt Nerven wie Drahtseile bewies und am Ende die Nase vorn hatte. Mit 4:0 Punkten erwischt der TVG somit einen Start nach Maß in die Saison der 3. Handball-Liga Süd-West. Nun wartet zur ungewohnten Zeit am Freitagabend (20 Uhr, Rudi-Lechleidner-Halle) mit dem Derby gegen den TV Kirchzell das nächste Highlight auf die Fans der Rotweißen.
Nachdem der TV Gelnhausen in der Vorsaison gegen das ambitionierte Spitzenteam aus dem Saarland in beiden Spielen keine Chance hatte, zeigte dieser Auftritt, wie sehr sich das Team von Cheftrainer Matthias Geiger ganz offensichtlich weiterentwickelt hat. Insbesondere beeindruckte das Urvertrauen in die eigene Stärke und die Fähigkeit, in der Crunchtime noch einmal einen Gang höher schalten zu können, ähnlich wie in der Erfolgssaison 22/23, als man sich am Ende spektakulär für den DHB-Pokal qualifizieren konnte.
Die TVG-Verantwortlichen sorgten ihrerseits im Vorfeld für eine kleine Motivationsspritze der besonderen Art. Ab sofort hat der TV Gelnhausen einen eigenen Mannschaftsbus. Das Team erfuhr es erst unmittelbar am Treffpunkt vor der Abfahrt nach Saarlouis. „Die Überraschung ist dem Verein auf jeden Fall geglückt. Es freut uns sehr, dass jetzt immer das TVG-Emblem zu sehen ist. Das macht uns schon ein bisschen stolz und hat sicher nochmal zwei, drei Prozent Extrakräfte bei uns freigesetzt“, sagte Mannschaftskapitän Jonathan Malolepszy.
Kein Wunder, dass Cheftrainer Geiger nach der nervenaufreibenden Partie über das ganze Gesicht strahlte und stolz die kämpferische Leistung seiner Mannschaft hervorhob: „Wir haben von der ersten Minute an nicht locker gelassen und eine konstante Leistung gebracht. So ein Spiel nach der emotionalen Leistung letzte Woche gegen einen absoluten Topverein abzuliefern, ist einfach überragend.“
Von Beginn an ging es auf dem Spielfeld hoch her. Die HG Saarlouis erwischte mit ihrer starken Offensive einen guten Start, während der TVG, der ohne die verletzten Leon David und Jonas Dambach antreten musste, die Ruhe behielt und immer wieder Nadelstiche setzte. Es entwickelte sich ein Hin und Her, bei dem sich beide Mannschaften nichts schenkten. Saarlouis zeigte seine individuelle Klasse mit Spielern wie Lars Weißgerber und Yves Kunkel, die bis vor kurzem noch in der Bundesliga aktiv waren. In der elften Minute ging der Gastgeber durch einen Treffer von Muhamet Durmishi mit 4:3 in Führung und sollte bis kurz vor Schluss immer knapp die Nase vorn behalten.
Doch der TVG kämpfte verbissen, ließ sich nicht abschütteln und hielt sich durch eine geschlossene Mannschaftsleistung im Spiel. Fehlwürfe in der Offensive wurden postwendend mit unglaublich engagierter Abwehrarbeit wettgemacht. „Wir haben uns da nicht einschüchtern lassen und haben dagegengehalten“, erklärte Geiger und lobte die Moral seiner Mannschaft, die über die vollen 60 Minuten konstant ablieferte – etwas, was dem Team in der letzten Saison noch oft schwerfiel.
Und so konnten die Gastgeber aus dem Saarland zwar im Verlauf der Partie immer wieder in Führung gehen, sich jedoch nie entscheidend absetzen. Mit 15:14 für Saarlouis ging es in die Halbzeitpause.
Nachdem Lars Walz von der HG Saarlouis zu Beginn der zweiten Spielhälfte nach einem Foul an Silas Altwein die rote Karte sah, wurde später auch Lasse Georgi auf Seiten des TVG nach seiner dritten Zeitstrafe in der 42. Minute des Feldes verwiesen. Georgi holte sich dabei zwei Zweiminutenstrafen hintereinander ab, so dass der TVG in der Folgezeit vier Minuten in Unterzahl agieren musste. Saarlouis agierte weiter mit viel Qualität und ging kurz nach Georgis Herausstellung mit 24:22 in Führung.
Doch anstatt nun auseinanderzubröckeln, schaltete der TVG noch einmal einen Gang höher. Insbesondere Kapitän Malolepszy ging in dieser Phase voran. Der Spielmacher der Rotweißen erzielte die nächsten vier Treffer für den TVG und egalisierte kurz nach Ablauf der vierminütigen Unterzahl zum 26:26. Saarlouis konterte erneut und ging abermals in der 48. Minute mit zwei Toren in Führung (28:26). Doch der TV Gelnhausen hatte an diesem denkwürdigen Abend endgültig Blut geleckt. Malolepszy, der eiskalt alle seine neun Siebenmeter verwandeln konnte, und Fynn Hilb, der in Eins-gegen-Eins-Situationen immer wieder Lösungen fand, und Co. ließen zum Erstaunen der Gastgeber einfach nicht locker.
Und tatsächlich! Ab der 51. Minute sollte sich das Pendel ganz langsam zugunsten des TVG neigen. Malolepszy brachte seine Farben erstmals seit der sechsten Minute wieder in Führung. (29:28). Vorausgegangen war ein Foul an Max Bechert nach schönem Anspiel von Altwein. „Wir haben uns durch wahnsinnig bissige Eins-gegen-Eins-Aktionen tolle Wurfsituationen erarbeitet und diese auch genutzt“, sagt Geiger.
Saarlouis gelang es zwar, den Spielstand noch einmal zu drehen und mit 32:31 in Führung zu gehen, doch dann vernagelte Keeper Alex Bechert mit zwei tollen Paraden den Kasten und seine Vorderleute zeigten im Angriff weiterhin keine Nerven. Mit einem 3:0-Lauf ging der TVG mit einem Zwei-Tore-Vorsprung in die letzte Spielminute und ließ sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Felix Reinhardt setzte drei Sekunden vor Schluss mit seinem Tor zum 36:34 den Schlussakkord in einem Spiel, das die Fans des TV Gelnhausen so schnell nicht vergessen werden.
Eine überragende Teamleistung krönten Kapitän Malolepszy (12) und Hilb (8), die die meisten Treffer für den TVG erzielten. Auf der anderen Seite waren Lars Weißgerber und Elyas Noh mit sieben Toren die besten Werfer für Saarlouis.
„Wir haben gezeigt, was möglich ist, wenn wir über die vollen 60 Minuten konzentriert spielen und nicht locker lassen. Es war ein sehr schnelles Spiel mit vielen Toren, aber wir haben uns nicht einschüchtern lassen. Die Jungs haben heute wirklich eine reife Leistung abgerufen, und ich hoffe, dass wir das jetzt auch emotional schnell verarbeiten können. Ab Montag geht der Blick schon wieder nach vorne“, sagte Geiger.
Mit 4:0 Punkten und zwei Siegen gegen die Topteams Leutershausen und Saalouis hat der TV Gelnhausen einen so nicht zu erwartenden Traumstart in die Saison erwischt und empfängt am kommenden Freitag (20 Uhr) den TV Kirchzell in der heimischen Rudi-Lechleidner-Halle. Die Fans dürfen sich nach dem Wiederaufstieg von Kirchzell, endlich wieder auf das prestigeträchtige Derby freuen.